Zwanzigzwanzig – Eine persönliche Rückschau von Andrea Wiese

Was für ein Jahr! Zwanzigzwanzig! Mit vielen Sorgen, Entbehrungen und zusätzlichen Mühen, aber auch mit neuen Ideen und Wegen, erlebter Verbundenheit und vielleicht manchmal etwas mehr Ruhe und Natürlichkeit.

Mit dem Lockdown begann eine (auch) für die Wohltorfer Kirchenmusik noch nie da gewesene Zeit. Keine Chorproben, keine Konzerte, keine Gottesdienste! Alltag adé. Planung unmöglich, in der Corona-Anfangszeit wusste ja niemand, wie lange welche Einschränkungen dauern würden. Wie also Kontakt zu den Chören und der (musikalischen) Gemeinde halten? Mit einer Internet-Chorplattform mit Einspielungen zum Mitsingen, regelmäßigen Mails, auch mal einem persönlichen Anruf oder Brief. Mit Musik-Podcasts zu Karfreitag, Ostern und Cantate. Mit Online-Chorproben.

Dann, Ende April, endlich: Wir dürfen wieder Gottesdienst feiern! Wenn auch ohne Gesang… wie soll das gehen? Das Singen im Gottesdienst ist ein sonst aufzugeben nicht vorstellbares Kennzeichen des evangelisch-lutherischen Lebens! Und Konzerte waren nach wie vor tabu. Wie heißt es im Kirchenmusikgesetz der Nordkirche? „Kirchenmusik ist Verkündigung des Evangeliums und Lob Gottes mit den Mitteln der Musik. Sie ist eigenständiger Ausdruck des Glaubens und unverzichtbarer Bestandteil evangelischen Lebens. Dies gibt dem Dienst der Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker geistliche Bedeutung und liturgische Verantwortung.“ Was also tun?

In dieser Zeit wurde viel von der „Kreativität der Kulturschaffenden“ geschrieben. Wahrscheinlich lag es an der erzwungenen Alltags-Pause, dass auch in Wohltorf die Ideen, gleich den Blättern und Blüten des wettertechnisch wundervollen Frühlings, nur so sprossen und neue Veranstaltungsformate entstanden, die auch über die Coronazeit hinaus Bestand haben werden: Die „MAA´s“, die „Musikalischen Abendandachten“, freitags abends mit exquisiter Kammermusik in einem kurzen, liturgischen Rahmen. „Bewegte Andachten“ auf dem Kirchplatz, in denen Psalmen und Lieder in Bewegungen umgesetzt werden. Mit anderen Open-Air-Projekten wie Waldandachten, einer musikalischen Fahrradtour, Laterne-Laufen. Prickelnd: Eine Reihe von „Percussion-Gottesdiensten“: Body- und Kirchenbankpercussion statt Gesang! Und schließlich die anderen Gottesdienste mit speziellen, instrumentalen Schwerpunkten wie „ORGEL.PUNKT“ oder „ORGEL.PLUS.SAITE“. So ergaben sich viele, gerade in dieser in gewisser Weise isolierenden Zeit wohltuende, neue Kontakte und Begegnungen mit Musikern. Der Wert von Musik als verbindende Sprache wurde so noch einmal neu deutlich. Und es gab so manches „Aha-Erlebnis“, wenn z.B. das Gloria-Patri – von Gitarre und Orgel gespielt – so ganz anders und neu erklang. Fast wie ein altes Minnelied.

Die Corona-Pandemie ist bedrohlich und bringt viel Leid. Sie ist im Arbeitsalltag anstrengend, weil alles neu gedacht und gemacht werden muss. Aber in gewisser Weise auch inspirierend – aus eben jedem Grund. Trotzdem freut man sich wieder auf die Zeit, in der man zum kirchenmusikalischen Alltag zurückkehren kann. Mit regelmäßiger Chorarbeit in normaler Gruppenstärke und Sitzanordnung, ohne klamme Hände und Füße in durch ständiges Lüften kalten und zugigen Räumen. Mit den anrührenden großen Oratorien – viele Menschen in unserer Wohltorfer Kirche, eine Gemeinschaft dicht an dicht. Diesen Alltag wird man sicher ganz anders genießen und wertschätzen, und er wird durch so manche C-Neuerung bereichert sein.

Noch müssen wir warten.

Andrea Wiese