Was zum Sonntag Lätare

Diese Andacht, die Sie hier lesen, können Sie auch auf Instagram auch ohne Anmeldung hören und sehen.

Es ist Sonntag. Eben haben die Glocken geläutet.
Aber die Kirche ist da drüben hinter den Bäumen.
Und ich bin hier. Verkehrte Welt.
Aber ihr wisst ja alle, warum das so ist.

Der Sonntag heute heißt Lätare.
Auf Deutsch: Freue dich!
Manche sagen auch „das kleine Ostern“ dazu.
Denn die Hälfte der Fastenzeit ist vorbei.
Ostern, die Freudenzeit, rückt ein Stückchen näher.

Bei unseren Katholischen Glaubensgeschwistern kann man das sogar ganz schön an der liturgischen Farbe sehen. Das ist die Farbe, mit der die Kirche an diesem Sonntag geschmückt ist. Und die Farbe, die der Pfarrer in der Messe trägt. In der Fastenzeit ist es violett. Aber am Freue-dich-Sonntag mischt sich da hinein das Weiß von Ostern. Und daraus wird:

Rosa.

Schlaumeier sagen wahrscheinlich jetzt: Stimmt gar nicht. Lila und weiß wird helles Lila. Aber es geht ja um die Symbolik.

Rosa also.

Deswegen habe ich mal das einzige annähernd Rosane aus dem Schrank geholt, was ich besitze, nämlich ein pinkfarbenes Hemd. Aber egal. In welche Farbe auch immer: Ein Vers, den man heute in jeder Kirche hören würde, ist:

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt bringt es viel Frucht.

Das sagt Jesus im Johannesevangelium. Und er meint damit sich selbst. Er muss sterben, damit am Ende für alle Menschen alles gut werden kann.

Wenn was wirklich tolles, Neues passieren soll, dann muss erst etwas Altes vergehen. Durch den Tod hin zu neuem Leben. Sozusagen. Dabei liegen dann natürlich Trauer und Freude dicht beieinander.

Trauer über den Tod.

Aber eben auch Freude über das Schöne und neue Leben. Deswegen: Schau auf das Neue, das kommen wird.

Und dann Lätare! Freue dich!

Ganz ehrlich: Ich weiß nicht recht. Ich gehöre zu den Menschen, die sich mit dieser Sicht der Dinge immer etwas schwer tun. Eigentlich würden wir heute in unserer Kirche einen Musical-Gottesdienst feiern.

Mit dem Musical: Noah.

Ihr wisst schon: Noah. Das war der, der eine Zeit lang in seiner selbst gebauten Arche in Quarantäne war, weil um ihn herum die Welt unterging. Am Ende wurde tatsächlich alles gut in der Geschichte. Das Problem ist aber,  dass Noah das am Anfang der Geschichte ja nicht wusste. Na klar, Gott hatte ihn die Arche bauen lassen, um ihn und seine Familie zu bewahren. Aber ob ihm das so klar war, als er da in seinem Schiff saß und das Wasser um ihn herum stieg und stieg?

Ich als Noah hätte in meiner Arche gehockt und hätte Angst gehabt. Ganz sicher. Angst vor dem, was wird. Was mit meiner Familie wird, mit meinen Lieben und mit mir. Ich hätte mir Sorgen gemacht über die Zukunft. Und wenn dann jemand gekommen wäre, der zu mir sagt: Kopf hoch. Wird schon. Da musst du jetzt durch. Aber am Ende wird es super. Dann hätte ich ihn wahrscheinlich angeknurrt.

Ich möchte keinen billigen Trost. Mit dem Ausblick darauf, dass es vielleicht am Ende gut wird, kann ich heute wenig anfangen.

Ich brauche etwas, ich brauche JEMANDEN, der mich hält und trägt und zwar jetzt und hier in diesem Durcheinander.

Ich vermute, so geht es vielen, in diesen wilden Tagen und Wochen. Angst vor dem, was wird. Was mit der Familie wird, mit den Lieben und mit einem selbst. Sorge über die Zukunft. Sorge über die Existenz, die Mitarbeiter.

So wie beim Bäckermeister aus Hannover, der sich in einem bewegenden Video an die Öffentlichkeit gewandt hat.

Sorge um den Job,

So wie beim dem, der in einer Email schreibt: Bitte, lasst uns dieses Projekt so lange hinziehen wie es geht, denn es wird wahrscheinlich mein letztes hier in dieser Firma sein.

Sorge um die eigene Existenz,

bei allen, die jetzt nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen können, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Für sie alle und für Euch: kein billiger Trost, sondern etwas, sondern JEMAND, der hilft und trägt, jetzt und hier in diesem Durcheinander. Das sind wir füreinander, wenn wir zusammenhalten. Und uns gemeinsam mit Worten und Taten durch diese Zeit tragen.

Und das ist noch einer.

Ein anderer Vers, der ebenfalls heute in den Gottesdiensten zu hören ist, geht so:

Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen. Spricht der Herr, dein Erbarmer. (Jesaja 66)

Spricht der Herr, dein Erbarmer. Nicht irgendeiner, sondern Gott sagt: Gerade toben die Stürme um dich, die Welt ist in Aufruhr. Aber in all dem, bin ich an deiner Seite! Nicht irgendeiner sagt da mal eben so „Kopf hoch“ wird schon am Ende. Sondern Gott sagt:

Jetzt und hier bin ich bei dir.

Mir hilft das. Deswegen sag ichs weiter. Mit meinem rosa Freue-Dich-Hemd. Mit diesem Text.

Und gleich am Telefon.

Ich kann ja mit Euch keinen Gottesdienst zusammen feiern. Also hab ich mir vorgenommen, bei meiner Gemeinde anzurufen. Statt Gottesdienst. Oder als Gottesdienst. Mal sehen wie das wird. Vielleicht ist das ja auch was für Euch: Was Rosanes anziehen heute an Lätare. Und ein bisschen Freue-Dich weitergeben. Per Telefon, Chat, oder Video.

Ihr Pastor,

René Enzenauer

[shariff]