Pastor René Enzenauer: Kirche ist. Trotzdem! – Von Schwiegermüttern und anderen wichtigen Entscheidungen

Ein Sofa-Gottesdienst zum 3. Sonntag nach Epiphanias

 

Zu Beginn

Ein Stern, der leuchtet vor uns.
Ein Licht, das leuchtet in uns.
Das ist Epiphanias.
Gott scheint wie ein Licht
und wir scheinen mit Gott.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Der Morgenstern ist aufgedrungen, EG 69

1. Der Morgenstern ist aufgedrungen, erleucht’t daher zu dieser Stunde
hoch über Berg und tiefe Tal, vor Freud singt uns der lieben Engel Schar.

2. „Wacht auf“, singt uns der Wächter Stimme vor Freuden auf der hohen Zinne:
„Wacht auf zu dieser Freudenzeit! Der Bräut’gam kommt, nun machet euch bereit!“

3. Christus im Himmel wohl bedachte, wie er uns reich und selig machte
und wieder brächt ins Paradies, darum er Gottes Himmel gar verließ.

4. O heilger Morgenstern, wir preisen dich heute hoch mit frohen Weisen;
du leuchtest vielen nah und fern, so leucht auch uns, Herr Christ, du Morgenstern!

 

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Aus Psalm 86

HERR, neige deine Ohren und erhöre mich;
denn ich bin elend und arm.

       Bewahre meine Seele, denn ich bin dir treu.
       Hilf du, mein Gott, deinem Knechte, der sich verlässt auf dich.

Herr, sei mir gnädig;
denn ich rufe täglich zu dir.

      Erfreue die Seele deines Knechts;
       denn nach dir, Herr, verlangt mich.

Denn du, Herr, bist gut und gnädig,
von großer Güte allen, die dich anrufen.

       Vernimm, HERR, mein Gebet
       und merke auf die Stimme meines Flehens!

In der Not rufe ich dich an;
du wollest mich erhören!

       Herr, es ist dir keiner gleich unter den Göttern,
       und niemand kann tun, was du tust.

Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen
und vor dir anbeten, Herr, und deinen Namen ehren,

       dass du so groß bist und Wunder tust
       und du allein Gott bist.

Weise mir, HERR, deinen Weg,
dass ich wandle in deiner Wahrheit;

       erhalte mein Herz bei dem einen,
       dass ich deinen Namen fürchte.

 

Lesung aus dem Buch Rut 1,1-19a

Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort. Und Elimelech, Noomis Mann, starb, und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen. Die nahmen sich moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Rut. Und als sie ungefähr zehn Jahre dort gewohnt hatten, starben auch die beiden, Machlon und Kiljon. Und die Frau blieb zurück ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann.

Da machte sie sich auf mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie hatte erfahren im Moabiterland, dass der HERR sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte. Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land Juda zurückzukehren, sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht hin und kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der HERR tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt. Der HERR gebe euch, dass ihr  Ruhe findet, eine jede in ihres Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. Aber Noomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich noch einmal Kinder in meinem Schoße haben, die eure Männer werden könnten? Kehrt um, meine Töchter, und geht hin; denn ich bin nun zu alt, um wieder einem Mann zu gehören. Und wenn ich dächte: Ich habe noch Hoffnung!, und diese Nacht einem Mann gehörte und Söhne gebären würde, wolltet ihr warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch einschließen und keinem Mann gehören? Nicht doch, meine Töchter! Mein Los ist zu bitter für euch, denn des HERRN Hand hat mich getroffen.

Da erhoben sie ihre Stimme und weinten noch mehr. Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter, Rut aber ließ nicht von ihr. Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach. Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.

Als sie nun sah, dass sie festen Sinnes war, mit ihr zu gehen, ließ sie ab, ihr zuzureden. So gingen die beiden miteinander, bis sie nach Bethlehem kamen.

 

Von Schwiegermüttern und anderen Entscheidungen – Predigt über Rut 1,1-19a

I. Er und sie

Er ist heute beinah Mitte 70. Sie ist ein paar Jahre jünger. Ihre Hochzeit war vor über 50 Jahren. Ein Paar sind sie schon länger. Er kam aus dem einen Dorf. Und sie kam aus dem nächsten. Einfach nur der Straße folgen. Mit dem Auto sind es fünf Minuten. Aber damals hatten sie kein Auto. Getroffen haben sie sich trotzdem, am liebsten an der alten Friedhofsmauer. Da, auf dem Friedhof, war dann auch der erste Kuss.

Sie liebten es zu feiern. Genau betrachtet gilt das wohl auch heute noch. Musik und Tanz und unter Freunden sein. Und dazu natürlich auch beim einen oder andern Schluck. Wie es auf dem Dorf nun mal so ist – und nicht nur da. Später wird ihr Haus mal einen Partykeller haben, mit Theke, bunten Lichtern und mit selbstgeklauten Straßenschildern an den Wänden. Aber damals wussten sie von ihrem Haus noch nichts.

Er war nie um einen Tanz verlegen. Und sie ließ sich gerne darum bitten. Sie sagte, wenn er fragte, gerne: Ja. Er: jung und sportlich, schneidig, männlich, handwerklich begabt. Sie: im besten Sinne fast ein wenig damenhaft, wenn nötig. Andererseits auch wieder down to earth. (Sie liebt Englisch.) Zum Pferdestehlen, wie man sagt. Sie mochte es durchaus, wenn er ihr Blumen schenkte. Er war in dieser Hinsicht jedoch eher etwas … hölzern. Zur Hochzeit wünschte sie sich einen Biedermeierstrauß. Er brachte langstielige Rosen. Sie wollte trotzdem. Gott sei Dank. Er wollte auch. So sagten beide laut ihr: „Ja, ich will.“

So hat das Leben zwei Menschen zusammengebunden, damit sie das Leben zusammen erleben. Lebensgemeinschaft und Schicksalsgemeinschaft. Es ist eben nicht gut, dass der Mensch allein sei.

2. Noomi und Ruth

Sie heißt Noomi und ist Schwiegermutter. Und dann sind da Orpa und Ruth, die Schwiegertöchter. Zusammen sind sie Lebensgemeinschaft als Schicksalsgemeinschaft.

Denn Schicksalsschläge haben sie zusammengebunden. Ihre Männer sind tot und damit die Versorger der Familie. Und nun?

Noomi sieht den Ausweg aus der Misere in ihrem Rückweg nach Bethlehem, dahin zurück, wo sie einstmals hergekommen war. Und darum gibt sie ihre Schwiegertöchter frei.

– Geht ihr zurück nach Moab, in eure Heimat, wo ihr neue Männer findet, die euch versorgen werden. Dort werdet ihr ernährt und dort seid ihr Zuhause.

In Bethlehem, bei mir, wärt ihr nur fremd und hättet noch dazu mich alte Frau als Klotz am Bein. Ich bin zu alt für einen neuen Mann. Darum will ich allein in meine Heimat gehen und dort mein Glück versuchen.

Schwiegertochter Orpa hört auf diesen Rat. Und geht. Und man kann es ihr wohl auch nicht verdenken. Schwiegertochter Ruth jedoch fängt an zu diskutieren.

Da stehen sie, zwei starke Frauen, an diesem Punkt in der Geschichte, allein auf sich gestellt, mit jeweils eigener Meinung und verhandeln, wie es weitergehen soll.

3. Verhandeln

Das kennen die beiden auch. Er und sie. In 50 Jahren Ehe und noch etwas mehr, da gab es viel, was zu verhandeln war. So ist das bei zwei Menschen, die das Leben zusammengebunden hat, damit sie das Leben zusammen erleben. So ist das, wenn die eigene Meinung auf eine andere trifft, das eigene Ja auf ein anderes Nein, oder die eigene Stärke auf ein echtes Gegenüber. So ist das.

So spielte er Fußball im Verein. Sie nicht. Sie rauchte. Er nicht. Sie blieb oft und gerne lange wach. Er ging meistens früh zu Bett. Sie schlief gern lange. Er musste oft früh raus. Sie war mit den Unternehmerfrauen unterwegs, mit Auto, Zug und Bus, oft auf Städte- und Kulturtour. Er fuhr mit seinen Kumpels lieber auf ne Radtour. Sie war evangelisch. Er katholisch. Das war damals nicht so einfach. Sie mussten verhandeln, wer in die Konfession des anderen wechselt, wer die Familien-Wäsche wäscht und wer die Trikots der gesamten Fußballmannschaft vom Verein, wer die Bratkartoffeln am Sonntag macht, und wer das Essen an den Wochentagen, wo sie rauchen kann und wo lieber nicht, wer die Kinder am Sonntag früh zum Messdienen zur Kirche fährt, und wer sie wieder abholt, ob Mathe auf dem Kinderzeugnis wichtig ist, oder eher Englisch, und wer einen Blick auf die Hausaufgaben wirft.

Sie mussten verhandeln, manchmal streiten, dann sich vertragen, Ärger runterschlucken, manchmal aushalten, manchmal hinnehmen, manchmal verzeihen. Aber immer zusammenhalten, wenn es denn gelingen soll.

So ist das nach einem laut gesagten: „Ja, ich will.“ So ist das in einem Schicksalsbund.

4. Na gut

So ist das auch bei Noomi und Ruth. Also Noomi merkt, dass sich ihre Schwiegertochter entschieden hat und auch nicht mehr umzustimmen ist, nimmt sie es hin und lässt sie. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Diskutieren lohnte hier schlicht nicht mehr.

Also gingen die Beiden zusammen Richtung Bethlehem – vielleicht auf den ersten langen Metern schweigend nebenher. Ruths große Worte hingen dabei aber sicher in der Luft:

Wo du hingehst, da will auch ich hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden.

Bis der Tod uns scheidet.“ So verspricht es Ruth ihrer Schwiegermutter. So wie es heute oft Menschen bei ihrer Hochzeit einander versprechen. Bis der Tod uns scheidet, bleibe ich bei dir. Lebensgemeinschaft. Schicksalsgemeinschaft. „Ja, ich will.“ Was immer auch kommt.

5. Das, was kam

Das, was kam, waren 50 gemeinsame Jahre, und ein bisschen mehr. Das, was kam, war gemeinsames Lachen und Weinen bis heute. Streiten und versöhnen, langstielige Rosen, viele liebe Blicke und manchmal auch liebe Worte. Das, was kam, war ein gemeinsames Arbeitsleben und ein gemeinsames Familienleben. Das, was kam, war eine Familie, mit Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln. Das, was kam, waren unendlich lange Arbeitstage, einander Vermissen, ein Fehlen und Suchen. Aber auch: Füreinander da sein und Zusammensein, bei Urlaubsfahrten mit dem Auto über tausende von Kilometern, bei glühend heißer Sonne, mit den Kindern auf der Matratze auf den runtergeklappten Rückbanksitzen.

Das, was kam, waren Urlaube mit Freunden beim Wandern in den Bergen. Es kamen Feiern im selbst gebauten Partykeller und nicht nur da. Musik und Tanz, manchmal ein Schluck, so wie es nun mal ist. Gemeinsam vergossene Tränen der Trauer, gemeinsam vergossene Tränen vor Glück. Das, was kam, war ein gemeinsames Leben. Bis heute.

Wo du hingehst, da will auch ich hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden.

6. Es kann gelingen

Die Beiden, er und sie, und Ruth und Noomi, ihre Geschichten sind verwoben. Sie sind letztlich verwoben mit all den Geschichten der unzähligen Menschen, die das Leben zusammenbindet, damit sie das Leben zusammen erleben. Die sagen „Ja, ich will.“ Die sich dafür entscheiden, sich umeinander zu kümmern und füreinander da zu sein. Egal ob aus Bethlehem oder aus Moab, egal ob evangelisch oder katholisch, egal ob von hier oder aus dem Ausland, egal aus welcher Ecke dieser Welt. Es ist eine Geschichte für alle die, die nicht aufgeben, miteinander zu reden und zu verhandeln, auch wenn Meinung auf Meinung, Ja auf Nein und eigene Stärke auf ein Gegenüber trifft. Es kann doch gelingen! Das Füreinander! Und das Miteinander! Es kann gelingen, in aller Unterschiedlichkeit.

Und Gott? Nun ja. „Dein Gott, ist mein Gott.“, sagt Ruth und bringt Gott damit ins Spiel. Aber der bleibt hier wie auch sonst in der Erzählung des Buches Ruth ganz ungewohnt verborgen. Gott zeigt sich nicht direkt. Gott spricht nicht und tut auch sonst keine Wunder. Es ist eine Geschichte ohne göttliche Spezialeffekte, ohne Himmelschöre und rauschende Offenbarungen. Es ist eben wie im Leben, in dem auch nicht an jeder Ecke das himmlische Licht erkennbar leuchtet. So wird auch hier nicht viel direkt über Gott gesagt. Muss es aber auch nicht. Was Noomi und Ruth und was die Beiden, er und sie, füreinander tun, erzählt doch eigentlich genug von ihm. Amen

 

In Christus gilt nicht Ost noch West

1. In Christus gilt nicht Ost noch West, in ihm nicht Süd und Nord.
Wo er wirkt, wird Gemeinschaft sein, gehalten durch sein Wort.

2. Woher wir stammen, fragt er nicht. Er lädt zu Brot und Wein,
bringt alle uns an seinen Tisch, lässt uns dort eines sein.

3. Drum kommt und bindet fest den Bund. Was trennt, das bleibe fern.
Wer unserm Vater dienen will, der ist verwandt dem Herrn.

4. In Christus trifft sich Ost und West, er eint auch Süd und Nord,
schafft selbst die gute, neue Welt und spricht das letzte Wort.

 

Gebet

Gott, bewahre meine Seele, denn ich bin dir treu.
Hilf Du, mein Gott, deinem Knecht, der sich verlässt auf dich.

Wir bitten dich:
Sei bei uns mit deiner Güte und Treue, bei allem, was wir angefangen haben, bei allem, was wachsen muss, bei allem, was noch werden soll.

Sei bei uns mit deiner Güte und Treue, wenn der Körper leidet, wenn die Seele leidet, wenn Schmerzen uns gefangen halten.

Sei bei uns mit deiner Güte und Treue, wenn wir dem Tod entgegensehen, wenn wir trauern, wenn wir die Hoffnung verlieren.

Sei bei uns mit deiner Güte und Treue, wenn wir uns um Frieden mühen, wenn wir uns um andere sorgen, wenn wir Liebe und Versöhnung leben wollen.

Herr, es ist dir keiner gleich unter den Göttern, und niemand kann tun, was du tust. Amen.

 

Vaterunser

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Segen

So bleibt bewahrt in Gottes Frieden,
in Gottes Liebe, mit seinem Segen.

Gott segne dich und behüte dich.
Gott lasse leuchten das Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Gott erhebe das Angesicht auf dich
und gebe dir
+ Frieden.

Amen.

 

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Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und Süden,

die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.

Lk 13,29



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