Pastor René Enzenauer: Kirche ist. Trotzdem! – Nachts

Ein Sofa-Gottesdienst zum Sonntag Invokavit

Zu Beginn

Einer gibt
Liebe,
Wärme,
sich selbst.
Und trotzdem leidet er.
So erlebt es Gott.
So erlebt es oft der Mensch.
Das ist Passion.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Den ganzen Gottesdienst mit Psalm, Lesung, Predigt, allen Liedern und Gebeten als pdf zum Download oder hier …

 

Aus meines Herzens Grunde, EG 388, 1+3-5

1. Aus meines Herzens Grunde sag ich dir Lob und Dank
in dieser Morgenstunde, dazu mein Leben lang,
dir, Gott, in deinem Thron, zu Lob und Preis und Ehren
durch Christus, unsern Herren, dein eingebornen Sohn,

3. Du wollest auch behüten mich gnädig diesen Tag
vors Teufels List und Wüten, vor Sünden und vor Schmach,
vor Feur und Wassersnot, vor Armut und vor Schanden,
vor Ketten und vor Banden, vor bösem schnellem Tod.

4. Gott will ich lassen raten, denn er all Ding vermag.
Er segne meine Taten an diesem neuen Tag;
ihm hab ich heimgestellt mein Leib, mein Seel, mein Leben
und was er sonst gegeben; er machs, wies ihm gefällt.

5. Darauf so sprech ich Amen und zweifle nicht daran.
Gott wird es alls zusammen in Gnaden sehen an;
und streck nun aus mein Hand, greif an das Werk mit Freuden,
dazu mich Gott beschieden / in mein Beruf und Stand.

 

Aus Psalm 91

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt
und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,

      der spricht zu dem Herrn:
      Meine Zuversicht und meine Burg,
      mein Gott, auf den ich hoffe.

Denn er errettet dich vom Strick des Jägers
und von der verderblichen Pest.

      Er wird dich mit seinen Fittichen decken,
      und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.

Seine Wahrheit ist Schirm und Schild,
dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht,
vor dem Pfeil, der des Tages fliegt,

      vor der Pest, die im Finstern schleicht,
      vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.

Denn der Herr ist deine Zuversicht,
der Höchste ist deine Zuflucht.

      Es wird dir kein Übel begegnen,
      und keine Plage wird sich deinem Hause nahen.

Denn er hat seinen Engeln befohlen,
dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,

      dass sie dich auf den Händen tragen
      und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

 

Evangelium aus Johannes 13

Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete. Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb. Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete. Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist’s? Jesus antwortete: Der ist’s, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald! Niemand am Tisch aber wusste, wozu er ihm das sagte. Denn einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte. Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.

 

Predigt

Als er, Judas, nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.

Nachtgedanken

Nacht ist, wenn drei mittelgroße Sterne am Himmel stehen. Wenn die Zeit da ist, das Abendgebet zu sprechen und die Kerzen auf dem Leuchter anzuzünden, dann ist Nacht.

Nacht ist, wenn das Käuzchen ruft, wenn Scheherazade tausend und ein Mal um ihr Leben Geschichten erzählt, wenn Mephisto auftaucht und wenn Macbeth mordet. Und irgendwo reitet immer einer spät durch Nacht und Wind.

Nachts hörst du Dinge, die du tagsüber nicht hören würdest. Die Bäume rauschen lauter. Dielen knarren, Möbel knacken.

Nachts bist du allein, auch wenn jemand neben dir schläft.

Wenn die Nacht kommt, gehen alle Blüten schlafen. Nur die Phantasie nicht. Sie blüht jetzt erst richtig auf. Der Mond scheint durch das Fenster, und sein Licht legt Schatten auf vertraute Dinge, macht sie formlos, lässt sie ineinanderfließen, macht sie anders. Nachts sind alle Katzen grau. Bühne frei für Hirngespinste.

Gedanken fangen an zu rasen. Es ist Zeit und Raum für Träume und für Albträume. Schmerzen und Kummer fühlst du stärker, aber die Leidenschaften auch.

Es ist gut, dass Gott es so am Anfang eingerichtet hat, als Gott den Himmel und die Erde machte und als Finsternis auf der Tiefe lag. Und als Gott dann sprach: Es werde Licht. Und als es dann Licht wurde und Gott dann trennte zwischen Tag – und Nacht! So hat die Welt von Anfang an schon immer beides, eine Tages- und eine Nachtseite. Licht und Finsternis.

Der Tag für alles Offenbare, für den Verstand, für die Arbeit, für das Geplante, für das Richtige, Rationale und das Gute. Und dann die Nacht, wild und chaotisch, unberechenbar und unverständlich, manchmal gefährlich und manchmal todesdunkel. Sie ist Schutzraum. Sie ist Rückzugsort. Manchmal ist sie der Ort für Geister, die schwer loszuwerden sind. Manchmal ist sie das Ende. Und für so manche ist sie Trost. Vielleicht ja auch für ihn:

Als er, Judas, nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.

Trost der Welt

Komm, Trost der Welt,
du stille Nacht,
wie steigst du von den Bergen sacht,
die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.

Immer Licht und immer Schatten

Vielleicht waren sie wandermüd, als sie beim letzten Abendmahl zusammensaßen. Sie sind ein paar Jahre zusammen durch die Welt gewandert, hatten ihr altes Leben hinter sich gelassen und sind dem gefolgt, der sie berufen hatte. Sie haben seine Worte gehört. Und sie haben seine Worte weitererzählt. Sie haben sich gestritten und sich vertragen. Sie haben gelernt und gelehrt, haben Kranke geheilt und Tote aufgeweckt. Aber nun geht diese Zeit zu Ende. In weniger als 18 Stunden wird der, dem sie sich verschrieben und für den sie alles aufgegeben hatten, tot sein. Aber das wissen sie noch nicht. Keiner von ihnen weiß das. Auch Judas nicht. Nur einer weiß das. Aber er lässt den Dingen ihren Lauf. Er sitzt mit ihnen ein letztes Mal zusammen und isst. So wie es immer war, wenn sie zusammen waren. Alles was er sagt ist: Was du tun musst, das tue bald.

Da klingt kein Vorwurf an und keine Anklage. Es klingt wie eine Notwendigkeit. Es ist einfach, wie es ist und wie es sein muss. Was soll er denn auch anderes tun? Und was soll Judas anderes tun?

So ist es doch seit Anbeginn der Zeit: Es gibt immer eine Tag- und eine Nachtseite. So ist es mit allem. Mit der Welt. Und auch mit dem Menschen. Da ist immer und in allem Licht und Finsternis. Der Tag für alles Offenbare, für das Richtige, Rationale und das Gute. Und dann die Nacht, das Geheimnis, wild und chaotisch, unberechenbar und unverständlich, manchmal gefährlich, manchmal todesdunkel, manchmal Trost und manchmal dunkle Einsamkeit. Und dahin geht er schließlich, Judas, am Ende. In die Einsamkeit. Weil er muss. Und es war Nacht. Um ihn. Und in ihm. So stelle ich es mir vor.

Nachteinsam

Komm, Trost der Welt …
Die Jahre wie die Wolken gehen
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst Du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.

Hinaus in die Nacht

Was du tun musst, das tue bald. Das, was Judas tun musste, ist: hinaus in die Nacht. Ich weiß nicht, ob er gewusst hat, was ihn dort erwartet. Dass da Verzweiflung lauert und Gewissensbisse warten, dass da Einsamkeit ist und Selbstmitleid, dass da kein Weg zurück ist zu anderen und sich nichts mehr ungeschehen machen lässt, dass da das Falsche entstehen wird, wo er doch das Richtige erhofft und beabsichtigt hat, dass da der Verrat im Schatten hockt, ich glaube, Judas hat es nicht gewusst. Er wusste nicht, was kommt. Judas ist nicht der böse, hinterhältige Verräter. Er ist nur ein armer Kerl, der hinaus musste in die Nacht. Genauso wie der, der später sagen wird: „Nein, ich kenne den Menschen nicht.“ als der Hahn krähte. Und genauso wie ich. Und wie du vielleicht auch.

Was du tun musst, das tue bald. Und gleich ging er hinaus. Und es war Nacht. Und ich muss mit. Kann gar nicht anders. Weil auch ich Nachtseiten habe, die wild sind und chaotisch, ungeplant und unverständlich – für mich selbst und für andere sowieso. Und manchmal hockt in meinen Schatten auch Verrat, an Gott, an Menschen, an der Welt und an mir selbst. Diese Nachtseiten sind da und gehören zu mir wie die Nacht zum Tag seit dem Anbeginn der Welt: Das eine wollen, aber das andere tun. Das eine beabsichtigen, aber das andere passiert. Etwas nicht mehr ungeschehen machen können und manchmal auch das aufs Spiel setzen, was man liebt, auch mal vergehen vor Kummer über die eigenen Fehler, das kenne ich auch. An diesen Nachtseiten komme ich nicht vorbei. Judas konnte es auch nicht. Und Du vielleicht auch nicht. Und so muss ich manchmal mit hinaus in die Nacht. Ob ich will, oder nicht. Und da in der Nacht, ist alles möglich. Und keiner weiß, was genau da lauert.

Nur einer

Nur einer. Nur einer weiß es. Nur einer kennt meine Nachtseite, besser noch als ich sie selbst kenne. Und der lässt mich gehen. Und dich. So wie er den Judas gehen ließ. Und lässt geschehen, was geschehen muss: Was du tun, muss, das tue bald.

Das ist seltsam, oder? Aber so ist es. Der eine lässt uns in das Dunkle tapsen. Dich und mich und Judas. Weil er weiß, dass es gar nicht anders geht. Er weiß, was das für Konsequenzen haben kann. Aber wenn es dann passiert: Dann wird er sie tragen. Und aus der Nacht wird Ostermorgen.

Osterfunkeln

O Trost der Welt, Du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
das weite Meer schon dunkelt,
Lass ausruhn mich von Lust und Not,
Bis dass das ew’ge Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.

Amen.

 

Von Gott will ich nicht lassen, EG 365, 1+3-5

1. Von Gott will ich nicht lassen, denn er lässt nicht von mir,
führt mich durch alle Straßen, da ich sonst irrte sehr.
Er reicht mir seine Hand, den Abend und den Morgen
tut er mich wohl versorgen, wo ich auch sei im Land, wo ich auch sei im Land.

3. Auf ihn will ich vertrauen, in meiner schweren Zeit;
es kann mich nicht gereuen, er wendet alles Leid.
Ihm sei es heimgestellt; mein Leib, mein Seel, mein Leben
sei Gott dem Herrn ergeben, er schaff’s, wie’s ihm gefällt.

4. Es tut ihm nicht gefallen, denn was mir nützlich ist.
Er meint’s gut mit uns allen, schenkt uns den Herren Christ,
sein‘ eingebornen Sohn; durch ihn er uns bescheret,
was Leib uns Seel ernähret. Lobt Gott im Himmelsthron!

5. Lobt ihn mit Herz und Munde, welchs er uns beides schenkt;
das ist ein sel’ge Stunde, darin man sein gedenkt;
denn sonst verdirbt all Zeit, die wir zubringn auf Erden.
Wie sollen selig werden und bleibn in Ewigkeit.

 

Gebet

Gott, du bist Zuversicht und Zuflucht. Du bist feste Burg und starker Fels. Du bist der Gott, auf den wir hoffen.

Wir leben in einer Welt mit Nachrichten, die keine sind, mit Gerüchten, mit Halbwahrheiten.

Wir bitten dich: bewahre uns vor den Fallstricken des Jägers. Und lass uns die Wahrheit erkennen.

Wir leben in einer Welt mit Kriegen, mit Hass, mit Zerstörung. Wir bitten dich: Höre die, die dich aus dieser Not anrufen. Und mach dem Kämpfen und Töten ein Ende.

Wir leben in einer Welt mit Angst, mit Verzweiflung, mit Gedanken ohne Hoffnung. Wir bitten dich: Bewahre du vor dem Grauen dieser Nacht. Und schenke Mut und Zuversicht.

Wir leben in einer Welt mit Krankheit, mit Trauer, mit Leiden. Wir bitten dich: Lass Zuflucht nehmen unter deinem Schirm und in deinem Schatten. Tröste, schenke Kraft und hilf uns durch das Leid hindurch.

Gott, du willst uns sättigen mit langem Leben. Und willst uns zeigen dein Heil.

Amen.

 

Vaterunser

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Segen

So bleibt bewahrt in Gottes Frieden,
in Gottes Liebe, mit seinem Segen.

Gott segne dich und behüte dich.
Gott lasse leuchten das Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Gott erhebe das Angesicht auf dich
und gebe dir
+ Frieden.

Amen.

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Dazu ist erschienen der Sohn Gottes,

dass er die Werke des Teufels zerstöre. (1. Johannes 3,8)

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