Zum Hirtensonntag Miserikordias Domini.

einige Worte von Pastor Enzenauer zum Sonntag bei Instagram

Todesnacht

Es fängt an in dunkler Nacht. Es fängt an mit Totenstille. Langsam fahren Autos vor, parken. Autotüren fallen zu. Leise Schritte scharren auf dem Weg. Menschen kommen, erst vereinzelt, dann in Gruppen. Einer flüstert: „Guten Morgen.“ Eine sagt: „Meine Güte, ist das früh.“ Dann ist wieder Totenstille. Dann ist wieder nur die dunkle Nacht.

Am Eingang gibt es eine Kerze und ein Liedblatt. Dann: Leise in die Kirche schlüpfen, Sitzplatzsuchen, Bänkeknarren, Blätterfalten, Nesteln, Husten, Seufzen. Dann ist wieder Stille. Und wieder nur die dunkle Nacht. Ab und zu ein leises Räuspern, sonst nur sitzen und warten. Nur denken und starren in der Dunkelheit.

So dunkel, dass die Augen nicht wissen, wohin sie gucken sollen. Denn in der Dunkelheit, da ist kein klares Ziel. Da ist kein Weg, kein sicherer Raum sich zu bewegen. Nur Totenstille. Todesnacht. Nichts regt sich.

 

Der Hirte

Und die, die da im Dunkeln sitzen und warten, die nicht sehen, wohin und wo lang, sie hören wie alles begann. Eine Stimme liest:

 

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und die Erde war wüst und leer.

 

Und die im Dunkeln hören wie es wurde als dann alles fertig war:

 

Und siehe, es war sehr gut.

 

Doch dann kam die Schlange. Und mit der Schlange kam Verantwortung und Lebensmühe und das tägliche Plagen und Schaffen und am Ende auch der Tod.

 

So ist es. So kennen wir das. So leben wir. So sterben wir. Doch die Geschichte geht noch weiter.

 

Die, die da im Dunkeln sitzen, hören von dem Kreuz, das einer trug. Der eine, der der gute Hirte war und der sein Leben lässt für seine Schafe, er kennt das Ziel und weiß auch, wo es lang geht. Er kennt den Weg durch alle Dunkelheit und Todesnacht hindurch.

 

„Sie, meine Schafe, hören meine Stimme und sie folgen mir.“, hat er gesagt. „Ich gebe ihnen das ewige Leben“, hat er gesagt. „Und sie werden nimmermehr umkommen. Und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ Das ist sein Versprechen.

 

Osterlicht

Und dann mitten in der Todesnacht, fängt sein Licht an hell zu scheinen. Hoffnungsschimmer. Gottes-Dämmerung. Alle, die im Finstern saßen, deren Augen ziellos waren, sehen sich jetzt in seinem Licht.

 

Und dann regt die todesmüde Erde sich. Und Leben bricht in die Todesnacht hinein. Und es ist als würden Wände wackeln und man erschreckt sich, zuckt zusammen, und die Orgel dröhnt mit allem, was sie geben kann. Mit aller Macht singt sie ein Lebenslied:

 

Christ ist erstanden

von der Marter alle.

Des solln wir alle froh sein.

Christ will unser Trost sein.

Halleluja.

 

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Der Tod ist tot. Das Leben siegt.

 

„Und sie werden nimmermehr umkommen. Und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ Auch der Tod nicht. Sagt er, der gute Hirte.

 

Ostern – vorbei

So hätten wir in diesem Jahr Ostern gefeiert, wenn Corona nicht wäre. Wir hätten gefeiert mit Osterfeuer am Dorfteich und dann mit einem Gottesdienst zur Osternacht, um 5 Uhr in der Frühe. In diesem Gottesdienst wären wir ihn gegangen, den Weg von der Todesdunkelheit zum Osterlicht. Mit den Texten von der Erschaffung der Welt, von der Schlange und dem Baum der Erkenntnis und noch anderen Texten mehr. Und dann hätte einer das große Osterlob gesungen: „Frohlocket ihr Engel und himmlischen Heerscharen.“ So hätte es geklungen. Und dann hätten wir das Osterlicht geteilt und gesungen: Christ ist erstanden.

Um 10 Uhr hätten wir weitergefeiert, mit viel Musik und Abendmahl. Und dann am Ostermontag noch einmal, gemeinsam mit den Nachbarn aus Aumühle. Dreimal den Triumph des Lebens feiern.

 

In diesem Jahr war Ostern anders. Manche sagen: „Leider!“ Andere sagen „So schlecht war es gar nicht.“ Gefeiert haben wir es aber doch in jedem Fall. Mit einem Osterlicht zum Mitnehmen, mit einer Postkarte für die 850 Haushalte unserer Gemeinde und mit anderen Kleinigkeiten.

 

Zwei Wochen ist das jetzt her. Und nun ist Ostern vorbei. Die Ostereier sind gesucht und hoffentlich gefunden. Die Osterpost ist gelesen und geht den Weg, den Postkarten und Briefe nach dem Lesen eben gehen. Ansonsten wäre da noch Einkaufen, Wäschewaschen und die Steuerklärung. Normales Leben, sofern man es in diesen Zeiten so nennen kann. Alltag eben.

 

Auch in der großen weiten Welt geht das Leben weiter. Mit Infektionsstatistiken, virologischen Gutachten, mit Debatten über „Öffnungsdiskussionsorgien“ und gelegentlich sogar mit abenteuerlichen Schuldzuweisungen, wer denn nun die Verantwortung für die Entstehung des Virus‘ mit den optisch ansprechenden „Blümchen“ auf der Oberfläche trägt. Politik eben.

 

Indessen bangen Menschen in den Krankenhäusern um ihr Leben, während andere nach Kräften helfen, pflegen und sich kümmern. Andere fürchten um ihre berufliche und wirtschaftliche Existenz, schlagen sich mit Kurzarbeitergeld durch und versuchen das Beste aus all dem zu machen, was dieser Tage auf sie einprasselt.

 

Das Leben geht weiter nach Ostern; in all seiner gelegentlichen Schönheit, mit seinen wichtigen Dingen und seinen Banalitäten, aber auch mit seinen Abgründen und mit seiner Dunkelheit. Manchmal sogar Todesdunkelheit. Mit seinen vielen Fragen, nach Sinn und Ziel und vor allem nach den Wegen hinaus aus all dem, was das Leben dunkel macht. Manchmal und für manche ist es, als hätte es Ostern nie gegeben und wir säßen immer noch in der Finsternis der Lebensnacht:

 

Dann ist es wieder so dunkel, dass die Augen nicht wissen, wohin sie gucken sollen. Denn in der Dunkelheit, da ist kein Ziel. Da ist kein Weg, kein sicherer Raum sich zu bewegen.

 

Was soll man tun

Was soll man tun, in einer Welt, die auch nach Ostern immer noch so voller Dunkel ist? Mit Leid und Tod, Machtgier, Habgier und mit Egoismus. In der so viele Hirten nur ihre eigenen Schäfchen schnell ins Trockne bringen wollen.

 

Wie sollen wir als christliche Gemeinde leben, mit Ostern hinter uns und der Welt wie wir sie jeden Tag erleben um uns. Mit dem Fest des Lebens, das wir jedes Jahr mit großem Tosen feiern, das vom Sieg über den Tod erzählt und von der großen Herrlichkeit am Ende, vom neuen Himmel und der neuen Erde, in der es keine Kinder mehr geben soll, die nur einige Tage leben, und keine Alten, die ihre Jahre nicht erfüllen, in der Wolf und Lamm beieinander weiden und der Löwe Stroh fressen wird, wo man weder Schaden noch Bosheit tun wird. (Jesaja 65)

 

„Und sie werden nimmermehr umkommen: Und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ Hat er gesagt. Der gute Hirte.

 

Da sind dieses Versprechen und diese Hoffnung. Und da ist das echte, wahre Leben.

Was sollen wir tun? Wie mit diesem Widerspruch leben?

 

Petrus

Diese Frage ist nicht neu. Natürlich nicht. Petrus hat versucht, sie zu beantworten. Als er lebte, lag Ostern hinter einer noch sehr jungen christlichen Gemeinde. Jedes Jahr haben sie dieses Fest gefeiert, sich gefreut und gehofft, dass er, der Hirte, bald wiederkommt, alle seine Schafe sammelt und sie auf eine Weide führt, von der niemand sie vertreibt, von der sie satt werden und auf der sie ewig leben werden.

 

Aber die Zeit zog sich. Auch Petrus erlebte nach Ostern wieder Weltendunkelheit statt ewig helles Osterlicht. Die Zeit des Sitzens und Wartens wurde lang und länger. Und Petrus dachte nach, was man tun soll in der Zwischenzeit.

 

Und dann schrieb er:

 

  1. Petrus 5,1-4
    Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll: Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt, nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund, nicht als solche, die über die Gemeinden herrschen, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.

 

So wahr – so schwer

Alles wahr und richtig. Muss man eigentlich nicht weiter kommentieren. Hirtinnen und Hirten sollen wir füreinander sein. Einander auf grünen Auen weiden und zum frischen Wasser führen, wenn man so will. Die gegebene Macht nicht ausspielen. Einander achten. Einander dienen, nicht den anderen beherrschen. Freiwillig. Von Herzensgrund.

 

So wahr ist das alles. Und so schwer.

 

Denn da ist unser Herz. Und da sind all die Dinge, die darin sind. Grabt mal nach in Euren Herzen! Und schaut, was ihr so findet. Die Bibel sagt:

Es ist ein trotziges und verzagtes Ding. (Jer 17,9) Wie sollte es auch nicht. Bei all dem, was es auszuhalten hat in der Dunkelheit der Welt: Herzschmerz, Herzeleid, Hartherzigkeit und manchmal bricht es. Wie sollte es auch nicht, wenn manchmal nichts mehr übrig bleibt als sitzen und warten und starren und denken, im Herzen bewegen und suchen nach einem Ziel und nach einem Weg, nach einem sicheren Raum sich zu bewegen und zu handeln, in allem, was einen umnachtet.

 

Weidet!

Da schreibt Petrus: Weidet! Weidet die Herde Gottes. So schwer es auch sein mag. Nehmt euch einander an. Achtet aufeinander. Tröstet einander. Führt einander durch die Dunkelheit. Erzählt von dem, was euch Angst macht. Und gebt euch neuen Mut. Erzählt von dem, was euch die Hoffnung nimmt. Und schenkt euch gegenseitig neue. Erzählt von dem, was euch das Herz bricht. Und schenkt einander neue Liebe. Und erzählt von ihm, vom guten Hirten, dessen Stimme ihr gehört habt, der gesagt hat: „Ich bin gekommen zu suchen, was verloren ist.“ Der gesagt hat: „Selig sind die, die Hunger und Durst haben nach Gerechtigkeit.“ und der gerade die gerufen hat, die sich plagen mit dem Leben. Der gesagt hat: Ich will euch helfen. Zu euch bin ich gekommen. Der versprochen hat: „Ich gebe ihnen das ewige Leben. Sie werden nimmermehr umkommen. Und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“

 

Diese „sie“ und diese „ihnen“, das seid ihr. Sagt es weiter. Sagt es euch gegenseitig. Und führt euch durch die manchmal tiefe Lebensdunkelheit. Solange bis er selbst kommt. Der Eine, der Erzhirte, der Ober-, oder höchste Hirte. Dann sollen eure Augen nie mehr nur ins Dunkle starren. Dann soll ein Ziel sein und ein Weg für Euch – und beides wird nicht mehr verschwinden. Und ihr sollt Raum haben euch zu bewegen und zu leben. Und dieses Leben soll euch keiner nehmen. Und die dunkle Todesnacht soll endgültig vorbeisein. Nur noch Licht. Osterlicht. Lebenslicht.

 

Also: Fasst euch ein Herz. Erzählt und lebt von dieser großen Hoffnung. Erzählt und lebt von der Liebe eures höchsten Hirten. Denn die Liebe, die er schenkt, versöhnt die Welt, trotz all dem Dunklen. Fasst euch ein Herz von Herzensgrund und weidet euch und die, die mit euch der Herde Gottes angehören. Denn sie ist euch… Nein. Ihr seid einander anvertraut. Amen.