Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.
I. Frage am Rande
Manchmal passieren die interessanten Dinge dann,
wenn man nicht mit ihnen rechnet.
Ihr wisst schon:
die berühmten Worte beim Abschied auf der Türschwelle.
der Deeptalk in der Gemüseabteilung bei Penny,
die eine Frage am Rande von was ganz anderem.
So war es diesmal auch.
Es war eine Frage am Rande.
Taufen, Feiern, Würstchengrillen.
Und dann sagt einer:
„Ich verstehe nicht, warum?
Warum macht man das?
man kriegt ja nichts dafür.
Nichts bezahlt,
kein Geld und so.“
Er meinte:
Warum hilft man mit?
Warum übernimmt man Ämter und Funktionen
nur für die Ehre – Ehrenämter,
oder
- wie man süddeutsch sagt –
nur für Gotteslohn,
oder für nen feuchten Händedruck,
wie böse Zungen reden.
„Ich verstehs nicht.“,
sagte er.
„Das hab‘ ich ja zuhause schon.
Müll raustragen,
staubsaugen,
oder auf die kleine Schwester aufpassen.
Und dann kriegt man nur ein Danke.
Manchmal nicht mal das.
Ich verstehs nicht.“
Sagte er.
Nun kann man sagen:
„Naja,
der, der diese Frage stellte,
der ist vierzehn Jahre jung und unerfahren.
Man weiß es doch,
man macht das,
weil …
weil …
na, weil sich das so gehört
und weil es wichtig ist
und weil es sonst viele Dinge einfach so nicht gäbe.
Zum Beispiel das Bratwürstchen da in deiner Hand,
das wäre ohne Ehrenamt vielleicht nicht da.
Oder du hättest was dafür bezahlt.
So könnte man sagen.
Aber diese Antwort war zu dünn für ihn
und klang ihm wenig überzeugend.
Zweiter Versuch:
Man könnte auch sagen:
„Geld gibt es vielleicht nicht,
aber vielleicht ja stattdessen etwas anderes:
Glückliche Gesichter.
Freude.
Und ein Danke, das sich gut anfühlt,
öfter, als du vielleicht denkst.“
Aber auch das zog nicht.
Diese Frage am Rande von was anderem
ist wohl schwerer als man denkt.
II. Ein Abend bei Euch
Also habe ich sie weitergereicht.
An euch,
liebe Kameradinnen und Kameraden von der Feuerwehr:
Donnerstagabend,
19.30 Uhr.
Dienstbeginn
am Feuerwehrgerätehaus in Wohltorf.
Ankommen.
Händeschütteln.
Sich warm reden.
Der Kreis wird immer größer mit der Zeit.
Auf der Straßenseite gegenüber sitzt das Publikum:
Mann mit Hund.
Beide gucken.
Dann sagt einer:
In Zweierreihen angetreten.
Ausrichten.
Durchzählen.
Die Anzahl stimmt.
X plus eins.
Plus eins bin ich.
Ich zähle extra.
Und ich denke an früher,
an meine Zeit beim Bund,
an Formaldienst
und ans olivgrüne Antreten vor in die Jahre gekommenen Kasernenhäusern.
Ich musste ja.
Aber hier ist es Donnerstagabend in Wohltorf.
Die Luft ist lau.
Das Licht ist schön.
Und niemand müsste.
Wir könnten alle
mit unseren Dackeln Gassi gehen,
so wie der Mann da gegenüber,
oder im Garten Würstchen grillen,
die Kleine zu Bett bringen,
Netflix gucken,
Feierabendbier.
Aber hier ist Dienstbeginn und Ausbildung.
Mit den tollen roten großen Autos mit dem Blaulicht auf dem Dach,
die, von denen manchmal nicht nur Kinder träumen.
Mit Hydroschild.
Und Absturzsicherung.
Jaha, das habe ich gelernt.
Am Donnerstagabend um 19.30 Uhr.
Lasst es euch nachher erklären.
Zwei Stunden dauert das Training.
Es geht um Technik.
Es geht um Sicherheit.
Es geht um das, was ihr Feuerwehrleute braucht,
um euren Dienst zu tun.
Und …
… es geht um Vertrauen,
ums sich auf die Schulter Klopfen, wenn etwas gut geklappt hat,
um die Frage nach dem Job und nach der Familie,
denn was wärt ihr ohne eure Familien, die euch unterstützen,
und um den einen oder anderen Spruch und Lacher.
Darum geht’s auch.
Dann ist Dienstschluss.
Die Wehrführung hats festgestellt.
Jemand grillt.
Und es gibt Kaltgetränke.
„Und?
Warum?
Warum bist du dabei?
Wie kams?“
Und ihr habt meist gesagt:
„Ich bin da reingewachsen.
Bin dabei, seitdem ich neun war,
weil das ganze Dorf in der Feuerwehr war.
Und wer nicht drin war, war komisch -
oder zugezogen.“
Ihr habt von euren Vorbildern erzählt.
Von dem Nachbarn (Peter Ahrens),
der euch so nachhaltig begeistert hat,
dass es bis heute hält.
Sein Name klingt immer noch durch Wohltorfs Feuerwehr.
Vergessen ist er nicht.
Vielleicht denkt ihr,
die ihr aus euren anderen Dörfern kommt,
noch an andere solcher Namen eurer alten Kameraden.
Apropos:
Ihr habt von der Kameradschaft erzählt.
Und vom Ankommen im Dorf.
„Als wir hergezogen sind
und keinen kannten,
bin ich in die Feuerwehr.“
Ankommen.
Hallo sagen.
Willkommen sein.
Einfach so.
Freunde finden.
Das rührt euch heute noch,
wenn ihr dran denkt.
So ist Feuerwehr,
so ist euer Ehrenamt:
Retten,
Bergen,
Löschen,
Schützen.
Was wären wir in unseren Dörfern ohne das
und vor allem ohne euch.
Aber die Feuerwehr ist sehr viel mehr als Feuer aus
und mehr als immer wieder einen Toaster im Seniorenheim löschen,
mehr als Baum von der Straße
und mehr als Wasser aus dem Keller pumpen.
Sie ist sehr viel mehr für euch,
als Kameraden und Kameradinnen.
„Warum macht man das?“,
fragst du.
„Na darum, wegen all dieser Dinge.“, ist die Antwort.
Und dann sagen einige von euch noch etwas anderes,
was noch lange nachklingt.
Jedenfalls in mir.
Einer sagt:
„Ich will etwas zurückgeben,
an die Gesellschaft, in der ich lebe.“
Und eine andere sagt:
„Ich will helfen,
unterstützen,
Gutes tun.“
III. Aufblitzen
Mit solchen Gedanken gehe ich nach Haus.
Es ist ja Dienstschluss.
Und ich denke dabei an Kapitel 13:
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete
und hätte die Liebe nicht,
so wäre ich nur ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich prophetisch reden könnte
und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis
und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte,
aber hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe
und meinen Leib dahingäbe
und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.
Und wenn ich meine Abende beim Feuerwehrtraining verbrächte,
und meine Freizeit auf Lehrgängen,
und wenn ich ins Feuer ginge
und hätte die Liebe nicht …
… vielleicht würde ich dann nicht gehen.
Dachte ich.
Und ich weiß nicht mit Sicherheit,
ob man das so sagen kann.
Aber ich glaube schon.
Über die Liebe wird ja viel geredet.
Und man versucht, sie in Worten einzufangen.
Mal blumig.
Mal dramatisch.
Mal rührig.
Aber manchmal, da wird sie getan
und reden muss man nicht.
„Deine Mutter und ich,
wir waren 40 Jahre verheiratet.
Wir haben nie gesagt,
dass wir uns lieben.
Aber jeden Morgen,
bevor sie ging,
stellte sie die Butter aus dem Kühlschrank auf den Tisch,
damit sie weich war,
wenn ich frühstücken wollte.“
So sprach der alte Vater zu dem Sohn.
Da blitzte sie auf,
die Liebe zum Nächsten,
in der weichgewordenen Butter auf dem Tisch.
Und irgendwie,
am Donnerstag- und anderen Abenden,
zwischen Hydroschilden und Absturzsicherung,
im wackeligen Korb am Ende der 30 Meter langen Leiter,
im Gewirr der schweren Schläuche,
in den Schweißperlen auf der Stirn und in dem Lächeln unterm Helm,
und ja, vielleicht am meisten,
beim dritten Toasterlöscheinsatz der Woche im Seniorenheim.
Aber stellt euch mal vor,
ihr würdet nicht fahren.
Stellt euch mal vor.
IV. Verwandlung
Stellt euch mal vor,
der Hirte wäre nicht losgegangen,
hätte nicht seine 99 Schafe stehen lassen,
auf der Suche nach dem einen,
das verloren war.
Dann wäre eines verloren gegangen.
Dann wäre es eines nicht mehr da.
Stellt euch vor,
es wäre einer von uns verloren gegangen.
Es wäre einer von uns nicht mehr da.
…
„Warum also?“, fragst Du.
„Warum lohnt sich das dabei sein?“
Weil es dabei hilft,
dass niemand von uns verloren geht.
Und das ist etwas,
das Bewusstsein dafür,
das ist etwas,
was unsere Gesellschaft in unseren Zeiten dringend braucht.
Deswegen also!
Deswegen
verwandeln sich
Ingenieure,
Erzieher,
Schweißer,
Polizisten
Bauern,
Klempner,
Auszubildende,
I-Tler, Beamte und Gesundheitspflegerinnen
und all die anderen …
zu Feuerwehrleuten,
wenn der Notfallmelder geht.
Dann lassen sie zu Hause
oder auf der Arbeit alles stehen und liegen,
um denen zu helfen,
die ohne ihre Hilfe verloren wären.
Deswegen!
Deswegen,
lohnt es sich.
Für uns alle.
Und damit dann verwandelt sich sogar
ein Stückchen Welt gleich mit –
zum Guten.
Und wenn Du mir das noch nicht glaubst,
und noch nicht fühlst,
was das Geniale daran ist,
dann gibt es wohl nur eins:
Mitmachen.
Bei der Feuerwehr.
Oder bei den vielen anderen Möglichkeiten,
die es im Ehrenamt auch noch gibt.
Mitmachen und Ausprobieren.
Und sich selbst und sogar ein kleines Stückchen Welt verwandeln.
Zum Guten.
Stell dir vor.
Amen.
Coypright: René Enzenauer