Predigt 05.10.2025 - Wenn der Herbst kommt

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

I. Herbst

Wenn der Herbst kommt.
Wenn der Herbst kommt,
ist es Zeit dafür.

Der Sommer war sehr groß
und spannte sonnig seine Segel.
Nun aber legt sich Schatten auf die Sonnenuhren,
und über Wald und Fluren gehen die Winde los.

Denn es ist Zeit dafür.
Denn es ist Zeit.

Wenn der Herbst kommt,
gibt es in den Läden warme Pullis,
in den Farben der Saison:
dunkelgrün und braun und beige,
so wie die Blätter an den Bäumen.
Ich habe neulich mal geguckt.

Und die Menschen kaufen Schals
und wickeln darin ihre Hälse ein.
Sie kaufen Tee
und rollen Kürbisse nach Hause.
Und sie decken sich mit Schokolade ein,
für warme Stunden auf dem Sofa,
beim Bücherlesen,
Netflix Schauen
und beim Zuhören wie der Regen auf die Scheiben fällt:

Die Katze schnurrt.
In seinem Bettchen schnarcht der Hund.
Und auf dem Fensterbrett,
da stehen Kerzen.

Wenn der Herbst kommt,
dann wuscheln Kinder sich durchs Laub.
Und Erwachsene,
wenn sie klug sind,
auch.
Dann fangen Äpfel an,
ganz süß zu schmecken.
Es gibt die letzten Pflaumen,
Birnen, Himbeeren

Im Keller suchst du nach dem alten Drachen
und machst ihm einen neuen Schweif,
damit er wieder fliegen kann.
Und abends schleichst du nochmal um das Haus
und guckst,
ob noch genügend Holz da ist
für den Kamin.

Denn morgens siehst du
wie dein Atem zwischen deinen Worten Wölkchen macht,
und deine kalten Hände lernen wieder ihre Jackentaschen lieben.

Wenn der Herbst kommt,
geht etwas zu Ende.
Denn es ist Zeit dafür.
Denn es ist Zeit.

Und Du fragst dich,
was genau zu Ende geht.
Und Du fragst dich,
wie es war.

II. Wie es anfing

Und Du nimmst nen Schluck von deinem Tee,
kuschelst dich in deine Sofadecke,
und denkst daran,
wie alles anfing:

Wie weites, unbestelltes Land da war,
mit Furchen und mit Narben auch,
und das nicht nur auf der Oberfläche.

Du denkst an die alten und die immer neuen großen Fragen.
An: Was soll hier wachsen und gedeihen?
Was soll werden?
Und an: Was soll ich tun?
Man müsste mal jemanden fragen können,
jemanden, der sich damit auskennt.
Aber da war keiner mit dem unfehlbaren Rezept
und niemand mit dem sicheren Plan für diesen Weinberg des Herrn.

Da war nur damals das Gefühl von Sehnsucht.
Das fällt dir jetzt wieder ein.
Es war in den anderen.
Da wars ganz deutlich.
Und irgendwann war es dann auch in dir.
Denn Sehnsucht und Hoffnung sind ja ansteckend.
Sehnsucht nach Knospen und Sprießen und Blühen und nach Pracht,
nach Leben,
dass leben kann, was leben will,
dass etwas wird aus dem, was da ist,
dass etwas Neues wird und Anderes und Schönes.
Gott sei Dank,
war Sehnsucht da.

III. Wie es weiterging

Und du knabberst an der Herbst-Winter-Überlebensschokolade,
kuschelst dich in deine Sofadecke ein
und denkst daran,
wie es dann weiterging.
Denkst ans pflügen, säen und streuen.
So gut es irgend ging.
Denkst an lange Sitzungen,
an Protokolle
und ja, auch an Gemeindeversammlungen des Schreckens.

Denkst an Angst und an Erschöpfung,
und an lange Abende.
Denkst an die Sorge,
die alle kennen, die ihr Feld mit Liebe bestellen.
Denkst ans Festhaltenwollen
und ans Loslassenmüssen.

Denkst an viele Kaffees in liebevoll vorgewärmten Tassen.
Ans Pläne schmieden und ans Machen
mit einem KGR,
der mutig ist wie David gegen Goliath
und der statt „Nein“ immer wieder „Können wir machen.“, sagte.
Egal wie schräg auch die Ideen waren.
Denkst an ganz viel Lachen
ans „sehr, sehr geile Weihnachtsbäume Aussuchen“
und an andere sehr, sehr geile Sachen.
Denkst an die, die gegangen sind,
weil sie es wollten.
und an die, die gekommen sind,
weil sie es wollten.
Denkst an das, was richtig war
und an das, wofür auch du Vergebung brauchst.
Denkst an Vertrauen
und an unendlich viele helfende Hände.
Ihnen sei ebenso unendlich Dank!
Und Gott sei Dank!

Und woran denkst du?

Und dazwischen immer wieder
pflügen, säen, streuen,
Und mancher Same fiel unter die Dornen,
wo es zu dunkel war.
Und mancher auf den Weg,
wo er keine Wurzeln schlagen konnte.
Und manchen fraßen die Vögel.
Das auch.

Aber anderes ging auf.

IV. Sommer

Und du nimmst nen Löffel Kürbissuppe,'
kuschelst dich in deine Sofadecke
und denkst daran,
was dann geschah.

Denkst an den Sommer.
Ans Baden im Meer
und an die Blumen im Garten
an genug für Seele und den Körper.
Denkst an den Technogottesdienst
und an die Weihnachtsreise und an das Fußballgolf,
mit TUS und DRK und Gemeindevertretung
und irgendwie mit allen.
Gott sei Dank!

Du denkst an den Sommer und die Sonne
und an die Wärme im Gesicht.
An das kühle Glas Wein am Abend im Café auf der Terrasse.
Ans Tanzen mit der Bürgermeisterin im neuen Saal neben der neuen Kita,
an viele Konfis, an Teamer, an die Jugend, an den Bauwagen und seinen Film,
an zehn Jahrgänge Sachsenwalder
und an zehn Jahre Gottesdienst,
mal im Reeperbahnstyle, mal Punk,
mal mit der Feuerwehr,
mal als Messe riesig groß und dann wieder „ganz normal“.
Und Gott war da.
Und wir.

Und immer wars genug.
Gott sei Dank!

Und woran denkst du?

Vielleicht an den Sommer, an Spaghettieis und Erdbeeren mit Sahne,
an Eiscafé und Barbecue.
An ein umgebautes Pastorat und die sanierte Kirchenmauer,
an neue Leuchten für die Kirche
- Ihr könnt euch alle jetzt schon riesig darauf freuen! -
Denkst ans Geschichte erzählen in den Kitas:
an „Hallo, Gott!“ beim dran Vorbeigehen
und an die besten Kitakolleg:innen der Welt,
geleitet von zwei Engeln höchstpersönlich.
Denkst an den Adventskranz,
den du das eine Jahr vergessen hast.
Und als du in die Kirche kamst,
da hing er fertig da.
Mit Kerzen und mit roten Schleifen,
bereit für den Advent.
Weil jemand anderes daran gedacht
und dann auch einfach so gemacht hat.
Danke nicht nur dafür!
Nicht nur dafür Gott sei Dank!

Und woran denkst du?

Der Sommer war sehr groß.
Und spannte seine weiten Segel.
Und es war noch ganz viel mehr,
aber das passt hier nicht mehr rein.
Wenn ich das alles sagen würd‘,
dann säßen wir noch morgen hier.

V. Träumen

Aber das geht nicht.'
Denn es kommt der Herbst.
Und dann geht etwas zu Ende.
Denn es ist die Zeit dafür.
Denn es ist Zeit.

Und so schauen wir den Blättern beim Fallen zu.
Und den Regentropfen wie sie an den Scheiben um die Wette rinnen.
Das Kerzenlicht flackert.
Und die Katze schnurrt.
Und in seinem Bettchen schnarcht der Hund.

Und in die nachsommerliche Ruhe flüstert der Wind
wieder die alten und die immer neuen großen Fragen.
Was soll hier wachsen und gedeihen?
Was soll werden?

Im nächsten Jahr!

Denn ihr könnt es mir ruhig glauben,
im nächsten Jahr gibt’s wieder eins.
So Gott denn will und wir leben.
Davon gehe ich kühn einmal aus.

Deswegen bleibt die alte Frage:
Was sollen wir tun?
Wie pflügen, säen und streuen,
damit wachsen kann, was wachsen will
und leben kann, was leben will.
Im nächsten Jahr und in der Zeit darauf.

Die Antwort darauf
überlasse ich am Ende euch.
Weil ich alleine sie nicht weiß.
Und weil ich mir sicher bin,
dass ihr eine finden werdet.

Ich möchte nur auf etwa hinweisen:
Der Herbst ist auch die Zeit zum Träumen.
Er ist Zeit für neue Sehnsucht
und für neue Hoffnung.
Denn das Vergehen schafft auch Raum.

Also träumt.
Und teilt, worauf ihr hofft und wonach ihr euch sehnt.
Und überlegt euch,
wer ihr in dem Neuen, das kommt, sein wollt,
wie man euch später einmal nennen soll.

Möglichkeiten gibt es viele:
„Die, die gut verwalten.“ zum Beispiel.

Wäre das etwas für euch?

So ganz schlecht ist das nicht. 
„Die, die viele Pläne haben.“ vielleicht?
Na gut, da fehlt die Tat.
Das passt nicht recht zu euch,
wie ich euch kenne.

Dann doch lieber so einfach und so schwer:
„Die, die mit Liebe und mit Herzblut Kirche und Gemeinde waren.“
Das ist nun wieder reichlich unkonkret.

Ich bin mir sicher,
euch fällt bestimmt noch etwas Besseres ein.
Aber dann macht.
Und seid Kirche.
Seid Gemeinde.
Alle zusammen.
Und überlasst das nicht den Menschen in Talaren.

Und brecht dem Hungrigen euer Brot,
und die im Elend ohne Obdach sind, führt ins Haus!
Wenn ihr einen nackt seht, so kleidet ihn,
und entzieht euch nicht eurem Fleisch und Blut! 

Dann wird euer Licht hervorbrechen wie die Morgenröte,
und eure Heilung wird schnell voranschreiten,
und eure Gerechtigkeit wird vor euch hergehen,
und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. 
Dann werdet ihr rufen und der HERR wird euch antworten.
Wenn ihr schreit, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.

Dann wird euer Licht in der Finsternis aufgehen,
und euer Dunkel wird sein wie der Mittag. 
Und der HERR wird euch immerdar führen
und euch sättigen in der Dürre und euer Gebein stärken.
Und ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten
und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. 

Und es soll durch euch wieder aufgebaut werden,
was lange wüst gelegen hat,
und ihr werdet wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward;
und ihr sollt heißen:
»Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne
«. 

Und dann trefft ihr euch alle hier wieder.
In einem Jahr.
Und die Kirche leuchtet in Pink und in Grün
und an der Decke hängen Lichterketten.
Und jemand macht Musik mit ihrer Lieblingsplaylist.
Es gibt Knabberkram und was zu Trinken.
Und ihr tanzt.
Und nebenbei erzählt ihr euch,
wie es war,
und wie es wurde
und wie es jetzt ist,
euer gemeinsames Jahr.

Und ich bin mir sicher:
Gott wird da sein.
Und ihr.
Und das wird genug sein.

Amen.

 

Pastor René Enzenauer, Wohltorf, 5. Oktober 2025