Wohnzimmer-Kirche 2025

Kissen, Kugeln, Käsewürfel – ein besonderer Freitagabend in der Kirche.

  • Wohnzimmerkirche Wohltorf, 04/2015

Freitagabend in Wohltorf. Die Kirchentür steht offen. Warmes Licht fällt auf Sessel, Decken und kleine Tische. Eine Stehlampe beim Altar, Kerzen auf den Tischen, dazwischen kleine Lampen mit warmem Schimmer. Die Kirchenbänke wurden verrückt, um Platz zu schaffen – für Sofas, gemütliche Ecken und Tische, an denen man sich gegenübersitzen und ins Gespräch kommen konnte.

Wer ankommt, sucht sich einen Platz, lernt Sitznachbar:innen kennen, holt sich ein Getränk von der Station vorne im Altarraum. Wohnzimmer eben. Oder, wie es das Wohnzimmerkirchen-Team in der Begrüßung formulierte:

„Wohnzimmer ist,
wo es viele Stimmen gibt.
Und manchmal Stille.
Und Meinungen.
Und Hoffnungen.
Und dazwischen, irgendwo,
kuschelt sich die Wahrheit an die Liebe.“

Das Thema: „Nachspielzeit – da geht noch was.“

Zu Beginn war Bewegung im Raum. Die Gäste sortierten sich – nach Fußballvorlieben. HSV hier, St. Pauli dort, Bielefeld (ja, auch diese kleine Gruppe war vertreten) dazwischen. Wer mit Fußball nichts anfangen konnte, diskutierte über gute Gründe dafür. Dann eine Gruppenaufgabe – bei der die Zeit plötzlich knapp wurde. Und bei der alle erleben konnten, wie es sich anfühlt, wenn es diesen erleichternden weiteren Moment zusätzlich gibt. Nachspielzeit eben.

Der Abend wurde vorbereitet von einem Team, das so bunt war wie die Wohnzimmergäste selbst – von Lebenserfahrenen bis Frisch-Dazugekommenen. Die Impulse von Caroline, Emi, Bärbel und René hatten dadurch alle einen anderen Ton, und die Gäste freuten sich über vier sehr unterschiedliche Perspektiven auf die Frage, was Nachspielzeit bedeutet.

Durch die eindrucksvollen Texte und Ideen des Teams gab es im Verlauf des Abends immer beides: mal viel Bewegung und Kneipenatmosphäre – und dann: konzentriertes Zuhören und stilles Nachdenken über Eicheln, die in sich schon alles tragen. Über Tauben, die still machen. Über Schwellen, Wendepunkte – und über eine Muschel von der Frankreich-Oma, die zu einem stillen Segen wurde.

Musikalisch getragen wurde der Abend von der Kuddewörder Kirchenband, unterstützt von Gästen. „Mit 66 Jahren“, „Ein Hoch auf uns“ – und zum lauten Mitsingen: „Ich war noch niemals in New York“, mit dieser einen Zeile, die nachklingt: „Wie wenn das jetzt ein Aufbruch wär…“

Zum Wohnzimmer gehörte natürlich auch das Miteinander-Essen: Es gab Käsespieße, Laugengebäck und Getränke. Und das eine oder andere Wiedersehen – etwa zwischen einer inzwischen erwachsenen Besucherin und ihrer Flötenlehrerin aus Kindheitstagen. Da strahlten nicht nur die Lämpchen der Lichterketten unter der Kirchendecke.

Nach Kennenlernen, Impulsen und gemeinsamem Essen folgte Murmeln an den Tischen. Dafür lagen dort kleine bunte Gesprächskugeln – mit Fragen darin. Wer eine öffnete, bekam Gesprächsstoff: „Wann kam für dich mal der Schlusspfiff genau zur richtigen Zeit?“ oder „Was hättest du gern noch gesagt?“

Und wem das nicht reichte, begann schon jetzt, über das heutige Format selbst nachzudenken. So erzählte eine Besucherin, dass sie allein draußen vor der Tür stehen geblieben war, weil sie nicht wusste, was sie erwarten würde – und weder die Wohltorfer Kirche noch die Menschen hier kannte. „Dann hab ich den Gesang gehört und die Lichterkette gesehen – und bin einfach reingegangen.“

Eine Konfirmandin sagte: „Meine Freundin hatte schon immer ein bisschen Angst vor Kirche. Aber wenn sie gewusst hätte, wie das hier gerade ist – sie wäre sofort mitgekommen.“

Aus unserer Wohltorfer Kirche wurde so ein Raum, in dem Begegnung nicht nur möglich war, sondern ganz automatisch passierte.

Vielleicht bleibt nun genau das: der Gedanke, dass Kirche sich verwandeln kann – wenn sie Raum schafft für neue Formen, Stimmen und Menschen. Die Vorstellung davon, wie Kirche aussehen sollte, wurde an diesem Abend ein Stück weitergezogen. Mit weichem Licht. Mit Sofas. Und mit der Bereitschaft, kirchliche Formen stärker mit dem Leben zu verweben.

Nachspielzeit ist auch, wenn keiner gleich geht. Und genau das ist passiert. Obwohl der offizielle Teil längst vorbei war, wurde das Licht der Stehlampe erst kurz nach Mitternacht gelöscht.