Kirche ist. Trotzdem! – Hände falten und in Richtung Himmel fliegen

Ein Sofa-Gottesdienst zum Sonntag Rogate

Pastor René Enzenauer

 

Zu Beginn

Der Herr ist auferstanden.
Er ist wahrhaftig auferstanden.
Gott möge das, was uns auf der Seele liegt,
wegrollen wie den Stein vor Jesu Grab.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

 

Den ganzen Gottesdienst mit Psalm, Lesung, Predigt, allen Liedern und Gebeten als pdf zum Download oder hier …

 

Lied: Tut mir auf die schöne Pforte, EG 166, 1-3.6

1. Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein;
ach wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein!
Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht.

2. Ich bin, Herr, zu dir gekommen, komme du nun auch zu mir.
Wo du Wohnung hast genommen, da ist lauter Himmel hier.
Zieh in meinem Herzen ein, lass es deinen Tempel sein.

3. Lass in Furcht mich vor dich treten, heilige du Leib und Geist,
dass mein Singen und mein Beten ein gefällig Opfer heißt.
Heilige du Mund und Ohr, zieh das Herze ganz empor.

6. Rede, Herr, so will ich hören, und dein Wille werd erfüllt;
nichts lass meine Andacht stören, wenn der Brunn des Lebens quillt;
speise mich mit Himmelsbrot, tröste mich in aller Not
.

 

Psalm 95

Kommt herzu, lasst uns dem HERRN frohlocken
und jauchzen dem Hort unsres Heils!
      Lasst uns mit Danken vor sein Angesicht kommen
      und mit Psalmen ihm jauchzen!
Denn der HERR ist ein großer Gott
und ein großer König über alle Götter.
      Denn in seiner Hand sind die Tiefen der Erde,
      und die Höhen der Berge sind auch sein.
Denn sein ist das Meer, und er hat’s gemacht,
und seine Hände haben das Trockene bereitet.
      Kommt, lasst uns anbeten und knien
      und niederfallen vor dem HERRN, der uns gemacht hat.
Denn er ist unser Gott
und wir das Volk seiner Weide und Schafe seiner Hand.


Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
Wir im Anfang so auch jetzt und alle Zeit.
Und in Ewigkeit. Amen.

 

Lesung Lukas 11, 1-13

Und es begab sich, dass er an einem Ort war und betete. Als er aufgehört hatte, sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht:
Vater!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Gib uns unser täglich Brot Tag für Tag
und vergib uns unsre Sünden;
denn auch wir vergeben jedem, der an uns schuldig wird.
Und führe uns nicht in Versuchung.
Und er sprach zu ihnen: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf.
Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

 

Predigt über Sirach 35,16-22a

Beten
Das Gebet eines Demütigen dringt durch die Wolken…

 

Einchecken
Ich bin da und mit mir viele andere. Wir wollen alle Richtung Himmel. „Darunter machen wir es nicht.“
Ich betrete eine Halle. Weit ist sie und hoch und voller Licht. Vielleicht ein Vorgeschmack auf das, was kommt. Ich stelle mich in die Schlange vor der langen Schalterreihe und gebe alles ab, was erdschwer macht, mein extrahiertes Leben, verstaut in einem Koffer: Anziehsachen für alle Eventualitäten, Bücher, Schreibzeug, Waschzeug, anderes Zeug. Das bin ich – und auch wieder nicht. Um dahin zu kommen, wo ich hin will, dafür brauche ich das alles nicht. So verschwindet mein Koffer in der Wand hinter der freundlichen Dame. Als Ersatz gibt sie mir mit einem Lächeln meine Eintrittskarte für die Reise durch die Wolken. Mein Name steht darauf und auch mein Sitzplatz. Mit dieser Karte bin nur ich gemeint. Andere mögen andere Karten haben, mit ihren Namen. Diese hier, die meint nur mich. Ich bin gemeint. Guten Flug!
Ich gehe durch Gänge, gehe durch Tore und Schleusen. Gehe vorbei an Läden mit Parfum, mit Koffern, Whiskey, Wein und Zigaretten. Einer verkauft hier sogar Unterwäsche, die elementarste aller Kleidung. Woanders gibt es Zeitungen aus aller Welt. Eine Frau kauft sich gleich drei. Ein paar Schritte weiter gibts Kaffee und Sandwiches. Beides überteuert. Aber wer jetzt noch Hunger hat, kauft trotzdem. Denn die Reise in die Wolken ist lang, anstrengend und mühsam. Manchmal macht sie Angst und unsicher, weil Du nicht weißt, ob sie etwas bringt. Da brauchst Du Proviant. Damit Du durchhältst.


Das Gebet eines Demütigen dringt durch die Wolken, doch bis es dort ist, bleibt er ohne Trost, und er lässt nicht nach, bis der Höchste sich seiner annimmt …


Es geht weiter. Vorbei an müden Managern, die in Massagesesseln sitzen und sich von den Maschinen die matten Muskeln kneten lassen. Vorbei an WCs, vorbei an uniformierter Staatsmacht und an Werbe-Ständen, die genauso provisorisch sind wie das, was sie verkaufen. Letztlich vorbei am gesamten Erdenleben: Alles Elementare, alles Notwendige, Macht, Herrschaft, Freude, Luxus, Müdigkeit und Plackerei, das alles geballt in Gängen und Fluren, die am Ende allesamt nur eine Richtung kennen.
Das alles wird hier bleiben, „wird nichtig und klein“. Aber ich nicht. Und du auch nicht. Und die vielen anderen, die mit mir und dir sind, die auch nicht. Denn wir sind gemeint!


„Womit?“,
fragst Du?

 

Damit.
Gott hilft.
Gott erhört.
Gott verachtet nicht.
Gott nimmt sich deiner an.
Gott schafft Recht.
Ohne Ansehen der Person.

 

Warten hier und jetzt
Am Ende aller Gänge und Flure geht es nicht mehr weiter. Ich sitze vor einer Glaswand mit Aussicht und warte. Jetzt geht es nur noch nach oben. Es geht nur noch Richtung Himmel.
Manchmal ist das so im Leben. Für mich genauso, wie für alle anderen. Nur die Gründe unterscheiden sich.
Da sind die, die tatsächlich nur dasitzen und zugucken können, wie andere ein Leben leben, das sie selbst auch gern hätten. Sie schauen zu wie Mütter und Väter mit ihren Kindern auf dem Spielplatz spielen und träumen von einer eigenen Familie. Sie sehen verliebte Pärchen Händchen haltend durch die Stadt flanieren und wünschen sich, da wäre auch jemand, der ihre Hand hält. Sie sitzen auf der Bank vorm Krankenhaus und hören wie gegenüber einer erzählt, dass er morgen nach Hause kann. Er hat es geschafft und alles ist gut. Und sie sitzen da und hören zu und wünschten, sie könnten das auch sagen.
Da sind die, deren Kalender so voll ist, dass es ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht und die frei sein wollen von den Zwängen zu müssen und zu sollen. Da sind die, die sich im eigenen Leben wie gefangen fühlen, das ihnen immer fremder wird. Da sind die, die sich nach Frieden sehnen, nach Ruhe und nach Glück, nach einer Perspektive, die, die nicht nur zuschauen wollen, sondern teilhaben. Da sind die mit der Angst vor dem, was kommen könnte. Und da sind die mit Tränen, die traurig über Wangen laufen.

… richtet sich ihr Schreien nicht gegen den, der die Tränen fließen lässt? … Das Gebet eines Demütigen dringt durch die Wolken, doch bis es dort ist, bleibt er ohne Trost …

Da ist erstmal nur Warten. Aber es ist Warten mit Aussicht.

 

Abflug in die Wolken
Denn dann kann ich einsteigen, zusammen mit all den anderen, die mit mir warten. Erstmal geht es wieder nur durch enge Gänge, doch dann sitze ich auf meinem Platz. Ich schnalle mich an und schaue nochmal durch das Fenster auf all das, was Erde ist. Dann geht es los in Richtung Himmel.
Ich werde in den Sitz gedrückt. Wer Richtung Himmel will, muss Kraft aufbringen. Nur nicht nachlassen.
Dann ist die Erde plötzlich unter mir. „Das, was groß und wichtig war, wird nichtig und klein.“ Da ist was dran. Ich falte die Hände und fliege den Wolken entgegen.
Zuerst sind es nur wenige, kleine Nebelfetzen, an denen ich vorüberziehe. Dann bin ich mittendrin im Wolkenteppich. Er ist die letzte Grenze von dem, was mich hält, sozusagen. Unheimlich ist das. Und verwirrend. Hier gibt es kein oben und kein unten, kein links und kein rechts. Wo bin ich? Und wo geht’s lang? Was wird sein, wenn ich hier wieder raus bin? Wer weiß das schon, wenn er in den grauen Wolken steckt.
Jetzt muss ich an Irland denken. Wenn da ein Verkehrsschild an einer Kreuzung geradeaus zeigt, darfst du dich an den folgenden 12 Kreuzungen, an denen keine Schilder stehen, nicht fragen, ob du nicht doch abbiegen solltest. Versuche nicht, es besser zu wissen. Sei demütig. Vertraue. Und folge wirklich immer nur deiner Straße, egal wie verschlungen sie ist. Nur nicht nachlassen, solange, bis ein anderes Schild dir etwas anderes sagt. Also lasse ich die Hände gefaltet und fliege weiter durch die Wolken.
Und dann kommt der Durchbruch. Blauer Himmel. Sonne. Ein Anblick von Weite und Freiheit. Die Erde mit ihrer Schwere ist nicht mehr zu sehen. Hände falten und fliegen.

Das Gebet eines Demütigen dringt durch die Wolken…

Und dann?
Dann das

Gott hilft.
Gott erhört.
Gott verachtet nicht.
Gott nimmt sich deiner an.
Gott schafft Recht.
Ohne Ansehen der Person.

 

Anders landen
So halte ich die Hände gefaltet und fliege Richtung Himmel. Und gleichzeitig weiß ich, dass ich wieder landen werde. Ich werde die Hände lösen, von meinem Platz aufstehen und wieder rausgehen in all das, was irdisch ist. So wie alle anderen auch. Alles Elementare, alles Notwendige, Macht, Herrschaft, Freude, Luxus, Müdigkeit und Plackerei, all das wird immer noch da sein. Auch Tränen werden noch so manches Gesicht herunterrinnen.
Und doch wird etwas anders sein. Denn ich werde anders sein und mit mir alles Irdische. Denn ich habe die Hände gefaltet und am Himmel gekratzt. Ich habe für eine Zeit hinter mir gelassen, was mich erdschwer macht. Ich habe die Freiheit gekostet und habe die Weite gesehen, habe meinen Kopf durch die grauen Wolken gesteckt und entdeckt, dass es dahinter weiter geht. Ich habe gesehen, dass in der Weite Hoffnung ist und Raum, sich zu bewegen.
Das ist nicht das Ende und die Erfüllung aller Wünsche. Aber es ist der Anfang aller Kraft zum Weitergehen durch die verwinkelten Gänge des Lebens. Und es ist eine Erinnerung an das Versprechen des Einen, dass er es sieht, wenn ich und du und all die anderen, die es mit uns tun, ihre Hände falten und betend Richtung Himmel fliegen.

 

Sirach 35,16-22a
Gott hilft dem Armen ohne Ansehen der Person und erhört das Gebet des Unterdrückten. Er verachtet das Flehen der Waisen nicht noch die Witwe, wenn sie ihre Klage erhebt. Laufen ihr nicht die Tränen die Wangen hinunter, und richtet sich ihr Schreien nicht gegen den, der die Tränen fließen lässt? Wer Gott dient, den nimmt er mit Wohlgefallen an, und sein Gebet reicht bis in die Wolken. Das Gebet eines Demütigen dringt durch die Wolken, doch bis es dort ist, bleibt er ohne Trost, und er lässt nicht nach, bis der Höchste sich seiner annimmt und den Gerechten ihr Recht zuspricht und Gericht hält.
Amen.

 

Lied: Dir, dir, o Höchster, will ich singen, EG 328,1-3.5-7

1. Dir, dir, o Höchster, will ich singen, denn wo ist doch ein solcher Gott wie du?
Dir will ich meine Lieder bringen; ach gib mir deines Geistes Kraft dazu,
dass ich es tu im Namen Jesu Christ, so wie es dir durch ihn gefällig ist.

2. Zieh mich, o Vater, zu dem Sohne, damit dein Sohn mich wieder zieh zu dir;
dein Geist in meinem Herzen wohne und meine Sinne und Verstand regier,
dass ich den Frieden Gottes schmeck und fühl und dir darob im Herzen sing und spiel.

3. Verleih mir, Höchster, solche Güte, so wird gewiss mein Singen recht getan;
so klingt es schön in meinem Liede, und ich bet dich im Geist und Wahrheit an;
so hebt dein Geist mein Herz zu dir empor, dass ich dir Psalmen sing im höhern Chor.

5. Was mich dein Geist selbst bitten lehret, das ist nach deinem Willen eingericht‘
und wird gewiss von dir erhöret, weil es im Namen deines Sohns geschicht,
durch welchen ich dein Kind und Erbe bin und nehme von dir Gnad um Gnade hin.

6. Wohl mir, dass ich dies Zeugnis habe! Drum bin ich voller Trost und Freudigkeit
und weiß, dass alle gute Gabe, die ich von dir verlanget jederzeit,
die gibst du und tust überschwänglich mehr, als ich verstehe, bitte und begehr.

7. Wohl mir, ich bitt in Jesu Namen, der mich zu deiner Rechten selbst vertritt,
in ihm ist alles Ja und Amen, was ich von dir im Geist und Glauben bitt. Wohl mir,
Lob dir jetzt und in Ewigkeit, dass du mir schenkest solche Seligkeit.

 

Gebet

Gott, zu dir kommen wir mit unserem Gebet. Du hörst. Du verstehst.
Auch, wenn wir nichts sagen.
Wir beten für alle, denen es schwer fällt, die richtigen Worte zu finden, für alle, die sich nicht trauen.
Wir beten für alle, denen es schwer fällt mit dir zu reden, die Zweifel haben und viele Fragen.
Wir beten für alle, die jeden Tag unendlich viel zu hören kriegen, aber auf das eine Wort warten, dass ihnen hilft.
Wir beten für alle, die auf Worte warten, die die Seele heilen, und die den Körper berühren.
Gott, in der Stille suchen wir dich und hören. [Stille]
Du verstehst unsere Gedanken von ferne. 

Amen.

 

Vaterunser

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Segen

So bleibt bewahrt in Gottes Frieden,
in Gottes Liebe, mit seinem Segen.

Gott segne dich und behüte dich.
Gott lasse leuchten das Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Gott erhebe das Angesicht auf dich
und gebe dir + Frieden.

Amen.

 

*****

Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft
noch seine Güte von mir wendet.
Psalm 66,2

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